Ausgebrannt, nichts geht mehr; die Psyche ist von permanentem Stress – welcher Art auch immer – überfordert und überlastet. Der Burnout klopft unmissverständlich an die Tür und sagt „Bis hierhin und nicht weiter“. Das Problem: Ist diese Belastungserkrankung erstmal vorhanden, ist es eigentlich bereits zu spät. Die Anzeichen zeigen sich weit vorher und sollten unbedingt rechtzeitig erkannt und gesehen werden und eine Medizin dagegen gibt es nicht. Wer zwischen die Mühlen des Burnouts geraten ist, braucht oftmals viel Zeit, um sich davon wieder zu erholen. Der temporär psychische Exitus kann persönliche und berufliche Schicksale zerstören; für die Arbeitgeber sind die Ausfall- und Krankheitszeiten eine erhebliche finanzielle Belastung. Ist Burnout wirklich eine „Zivilisationskrankheit“ oder ist es lediglich ein neues Kleid für etwas lange Bekanntes?
Reizüberflutung und Überdruck ohne Entspannungsventil
Mag sein, dass lediglich die Bezeichnung neu ist. Ein Burnout ist vom Grundsatz her eine spezielle – und vom Grundverständnis beruflich geprägte – Form der Depression. Das ändert nichts an der Tatsache, dass diese psychische Belastungserkrankung gerade in den Industrienationen immer häufiger diagnostiziert wird und weiterhin dramatisch ansteigt. Einer der Hauptgründe dafür ist die immer rasanter werdende Reizüberflutung der digitalisierten Arbeitswelt. Hinzu kommen die ständig steigenden Arbeitsanforderungen. Arbeit ist wie Treibsand – je mehr man wegschafft, umso mehr rutscht hinterher. Irgendwann weiß die Psyche sich keinen Ausweg mehr. Der pausenlose Dauerstress wird nicht mehr kompensiert oder verkraftet. Übrigens: Nicht nur die Menge der Arbeit, die einfach nicht weniger werden will, ist ein Stressfaktor. Zum Leistungs- und Zeitdruck gesellen sich unliebsame Kameraden wie Mobbing, mangelnde Anerkennung, kollegial vergiftete Arbeitsatmosphäre und private Krisen. Das Zwischenergebnis ist die Unfähigkeit zu entspannen – das Endergebnis ein Burnout.
Wenn die Seele streikt
Die Arbeitsumstände, in denen Sie sich befinden, können Sie höchst selten grundlegend ändern, aber die Rahmenbedingen und den persönlichen Umgang damit. Wenigstens in gewissen Maßen und die können bereits entscheidend sein. Weder seelisch noch körperlich ist es dauerhaft möglich, auf Tempo 300 durch den Arbeitstag zu fahren. Selbst wenn Sie sich als leistungsorientierter Vorreiter sehen; selbst wenn sie zu denen gehören, die ihre Anerkennung durch permanente Einsatzbereitschaft erfahren: Es ist zwingend nötig, Ruhephasen und Pausen in der Selbstorganisation einzuplanen – und das rechtzeitig und nicht erst, wenn die Seele bereits „in den Brunnen gefallen“ ist. Um es ganz deutlich und plakativ auszudrücken: Jeder Mensch weiß, dass er sich mit allerhöchster Treffsicherheit eine Grippe einfangen wird, wenn er stundenlang nackt durch den Schnee läuft. Also macht man es nicht. Beim Burnout ist das paradoxerweise anders. Jedem ist bewusst, dass unverhältnismäßige Dauerbelastung im besten Fall zur psychischen Erkrankung, im worst Case sogar zum Kreislaufkollaps oder Herzanfall führen kann. Trotzdem nimmt man auf den eigenen Körper keine Rücksicht. Exakt das ist grundverkehrt. Von welcher Seite auch immer man es betrachtet, Sie befinden sich in zwei Hamsterrädern gleichzeitig, die sich in umgekehrter Richtung um die Wette drehen. Das eine ist der menschliche Wunsch nach Anerkennung mitsamt der Angst, bei geringerem Einsatz den Arbeitsplatz zu verlieren; das andere ist, das Erkennen und Eingestehen der individuellen Grenzen. Die Räder sollten schnellstens angehalten und neu justiert werden, bevor der Burnout zuschlägt. Und wie funktioniert das?
Belastungsgrenzen eingestehen und benennen
Sich sämtliche Tätigkeiten auf die Schultern laden zu lassen, empfinden viele Menschen als Anerkennung. Immerhin sind Sie jemand, dem man zutraut, die Arbeit zuverlässig zu schaffen, und die auch noch, und die auch noch, und die auch noch. Wie hätte man auch gegenteiliger Meinung sein oder eine Grenze erkennen können. Sie haben ja nie erklärt, dass Sie nicht mehr dagegen ankommen. Definieren Sie für sich klar, was geht und was nicht geht. Und vor allem: Definieren Sie das nicht nur vor sich, sondern vielmehr vor den Kollegen und Vorgesetzten. Es ist immer das gleiche Spielchen, das hier zu einer Entlastung führen kann: Sie sagen natürlich nicht: „Das schaffe ich nicht!“. Sie sagen: „Ich arbeite gerade an der Aufgabe XY, die muss dann und dann fertig sein“. Schon sind mögliche Sticheleien und Spitzen aus der Debatte entfernt.
Konfliktbewältigung – Probleme rechtzeitig ansprechen und Lösungen anstreben
Aus dem privaten Bereich ist es vermutlich jedem Menschen bekannt. Werden zwischenmenschliche Differenzen totgeschwiegen und unter den Teppich gekehrt, ist es irgendwann kaum mehr möglich, die Schwierigkeiten zu beheben, ohne dass Porzellan fliegt. Wer zu spät den Mund aufmacht und störende Dinge anspricht, hat den Zeitpunkt verpasst. Ein schwelender Konflikt ist vorprogrammiert, die Furchen lassen sich umso schwieriger wieder glätten. Nicht anders im Kollegium: Wenn jemand sich Ihnen gegenüber unschön bis unfair verhält, wenn jemand unnütze stachelige Machtspielchen versucht oder Sie gar gemobbt werden, sprechen Sie es unmittelbar und direkt an. Das liegt nicht jedem; bisweilen ist das auch kaum alleine zu schaffen. Den Vorgesetzen oder einen Vertreter aus dem Betriebsrat zu bitten, deeskalierend einzugreifen oder als Supervisor ein Gespräch zu organisieren, kann helfen.
Selektive Aufmerksamkeitswahrnehmung fördern
Unter „selektiver Aufmerksamkeitswahrnehmung“ versteht man, dass das menschliche Gehirn aus der Vielfalt der eintreffenden Signale ausschließlich die für den Moment wichtigsten filtert. Die anderen nimmt es gar nicht wahr. Die Reize sind zu viel, außerdem in dem Augenblick unwichtig. Wer diese Technik beherrscht, kann sich weitaus besser auf die eigentliche Arbeit konzentrieren und gerät nicht in Gefahr durch die informative Überlastung zu ertrinken. Auf Deutsch: Schalten Sie einfach mal ab und sagen Sie Ihren Kollegen, wann Sie wieder für weitere Aktionen zur Verfügung stehen. Möglicherweise sind die zunächst perplex; auf Dauer werden sie das verstehen und positiv akzeptieren. Es ist ein Teil Ihres Selbstschutzes.
Persönlich individuelle Harmonie
Fördern können Sie die Prophylaxe gegen ungesunden Stress selbstverständlich durch gesunde Lebensweise. Sportliche Betätigungen geben dem Körper ein schlichtweg gutes Gefühl. Kreatives Kochen und das Essen mit Ruhe können helfen. Gute Gespräche mit Freunden oder im Kreise der Familie; ein Hobby, dem Sie entspannt nachgehen, kulturelle Erlebnisse – die Bandbreite der Möglichkeiten ist riesengroß. Fühlen Sie sich einfach wohl; Sie haben es verdient und haben keinerlei Grund, den beruflichen Stress über die eigene Gesundheit zu stellen.
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